1. Preis
„Those who
have crossed”

Foto: ULTRASTUDIO

ULTRASTUDIO (Lars Breuer, Sebastian Freytag, Christian Heuchel, Guido Münch, Jürgen Wiener), Köln

Berater Architektur: O+O Baukunst GmbH Köln, Christian Heuchel und Levi Kiss Tragwerk: osd office for structural design, Prof. Dipl. Ing. Klaus Fäth, Founder & consultant
Berater Landschaftsarchitektur: FSWLA, Prof. Thomas Fenner

Auszug aus dem Text der Verfasser*innen:

KONZEPTION
Mit der Skulpturarchitektur Those who have crossed (aus T. S. Eliot The Hollow Men, 1925) , soll dem tragischen Moment, dem das 39‘ Denkmal gewidmet ist, gerecht werden. So erinnert das Denkmal nicht nur an den (vermeindlichen) Tod von Menschen und es ging den Bauherren niemals um die heilende Verarbeitung eines kollektiven Traumas. Die Toten präsentieren sich im nationalsozialistischen Entwurf vielmehr in Form eines auferstehenden Militarismus und Revanchismus. Dieser Interpretation setzt die Skulpturarchitektur Those who have crossed dezidiert einen neuen Blickwinkel entgegen. Auch wird die gebrochene Funktionalität und Uneinheitlichkeit des Platzes überwunden, indem die Begehbarkeit der Skulpturarchitektur einen neuen Erfahrungsraum eröffnet. Ein neues Element verbindet die Geradlinigkeit des Platzes vor dem 39’er Denkmal mit der Weite des rückwärtigen Geländes zum Rhein hin.
In Nord-Süd-Ausrichtung konterkariert der Eingriff das bestehende Denkmal allein durch seine Materialität. Revanchismus und Militarismus erfahren auf diese Weise eine präsente Durchkreuzung ohne das historische Ensemble zu berühren. Erhöht erlebt der Besucher nicht nur einen neuen Blick nach unten auf einen Teil der Stadt und ihrer Ge-schichte, sondern der Besuch erlaubt einen befreienden Blick in die Gipfel der Bäume.

1. FREIRAUMGESTALTUNG
Die Freifläche des Reeser Platzes gliedert sich in drei Abschnitte: der strenge Vorplatz und das Denkmal, einer biotopartigen Zone hinter dem Monument und einer Parkanlage, in der sich der ehemalige Wende-hammer der Straßenbahn abzeichnet und der zum größten Teil durch eine Wiese geprägt wird.
DER VORPLATZ wird dominiert von der Architektur und Achse des Denkmals mit seiner Symmetrie und Monumentalität, die durch das Bodenraster gesteigert wird.
DAS BIOTOP zwischen dem Denkmal und der Parkanlage wird durch einen dichten und ungestalteten Bewuchs geprägt. Die Zweiteilung des Platzes wird durch diese Vegetation besonders befördert.
DIE PARKANLAGE vereint öffentliche Interessen der Naherholung wie einen Kinderspielplatz und ein Büdchen mit einer ehe-maligen Nutzung (durch Schienen).
Die Entwicklung der Platzfläche vor und hinter dem Denkmal kann nicht unterschiedlicher sein. Die Stim-mung des Gedenkens mit geordnetem Baumspalier steht dem Leben mit Biotop, Spielplatz und einer Frei-fläche mit Kiosk gegenüber.
Die neue Architekturskulptur Those who have crossed verbindet diese Elemente. Dabei wird dem militaris-tischen Denkmal eine neue Sichtweise und ein durchkreuzendes Element beigefügt. Auf der anderen Seite erweitert sich die Fläche des Spielplatzes um einen Hügel, der neue Möglichkeiten und eine gesteigerte Aufenthaltsqualität bietet.

Begründung der Jury

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Die Verfasser*innnen des Entwurfs „Those who have crossed“ (nach T. S. Elliot: „The Hollow Men“) schlagen eine begehbare Skulpturarchitektur vor, die von Norden nach Süden über dem 39er Denkmal zu schweben scheint. In ihrer Ausrichtung durchkreuzt sie das Denkmal und die bestehende Zentralachsedes Aufmarschplatzes und schafft eine Verbindung zu seiner Rückseite. Auf demAufmarschplatz stehend wird der symmetrisch angelegte Formenkanon der nationalsozialistischen Kultstätte durch die schräg über das Denkmal schwebende Skulptur gestört. Der Aufmarschplatz vor dem Denkmal wird seines inszenierten Pathos beraubt, der seltsam platzierte Steg gibt Anlass zur Auseinandersetzung mit dem Platz.

Aus der Vogelperspektive wiederum betrachtet erscheint das Denkmal wie durchgestrichen.Die begehbare Skulptur als Brücke gewährt der Betrachterin/dem Betrachter neue Perspektiven auf das Denkmal und den Platz. Dabei werden Aufmarschplatz, das Biotop auf der Rückseite und die Parkanlage räumlich verbunden und aus verschiedenen Blickwinkeln erlebbar. Der Blick von oben auf das Denkmal entlarvt das von der Vorderseite mächtig wirkende Bauwerk als schmale Kulisse. Die Jury lobt die klare Formsprache und Grundidee des Entwurfs in der Auseinandersetzung mit der gesamten Anlage unter Berücksichtigung der Wettbewerbsaufgabe.

Durch das Begehen des Steges erhebt man sich buchstäblich über das nationalsozialistische Denkmal und seine militaristische und revanchistische Aussage. Während des Begehens des Steges durch die Baumkronen des dahinter stehenden Wäldchens in Richtung des Rheins wird der/dem Betrachter*in ein befreiender Blick ermöglicht. Die Vermehrung an Perspektiven und Blickwinkeln auf den Platz und das Denkmal evoziert nach Ansicht der Jury eine nachhaltige und lebendige Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes. Auch die Gestaltung der Rückseite des Denkmals wird von den Mitgliedern der Jury mehrheitlich gelobt. Der vorgeschlagene Hügel als Aufgang zur Brücke erhöht die Aufenthaltsqualität des Geländes um den Spielplatz und bereichert den Platz, unabhängig von seiner Funktion als Zugang zur Brücke, um ein attraktives Element mit eigenständiger gestalterischer Qualität.

Die Arbeit setzt einen deutlichen Kontrapunkt zum 39er Denkmal, ohne sich in einer vertrauten antimilitaristischen Symbolik zu erschöpfen. Die von der Ausloberin erhoffte künstlerische Kommentierung, die sich möglichst mit allen historischen Phasen der Nutzung des Platzes auseinandersetzt, wird so entsprochen. Die Arbeit bietet Impulse und Raum für eine umfangreiche Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit zur Geschichte des Reeser Platz.

Das im Entwurf vorgeschlagene Lichtband und die damit verbundene Option, die Brücke in der Dunkelheit zu illuminieren und auch im Dunkeln eine optische Verbindung der verschiedenen Zonen des Platzes zu erzeugen, überzeugt die Jury nicht vollständig. Dieses Element des Entwurfes ist aus Sicht der Jury für die Wirkung des gesamten Konzepts des Entwurfs zu vernachlässigen. Insgesamt überzeugt der Entwurf die Jury dadurch, dass es den Verfasser*innnen gelingt der aufgerufenen Komplexität der Aufgabenstellung umfänglich gerecht zu werden. Die Jury zeichnet den Entwurf „Those who have crossed“ mit dem ersten Preis aus und schlägt den Entwurf zur Realisierung vor.